Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Niedersachsen und seine Mitgliedsgewerkschaften sowie die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW) in Niedersachsen haben anlässlich der Teuerungswelle gemeinsame Positionen entwickelt, die eine Entlastung für die betroffenen Haushalte sicherstellen und einen wichtigen Beitrag zum sozialen Ausgleich liefern können.
Dr. Mehrdad Payandeh, Vorsitzender des DGB Niedersachsen, erklärt: „Die zu erwartende Entwicklung der Energie- und Lebensmittelpreise sowie der Mieten führt hunderttausende Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen in eine finanzielle und existenzgefährdende Notlage. Eine Mehrbelastung von mehreren hundert Euro im Monat werden viele Menschen in Niedersachsen allein nicht stemmen können. Hier müssen Bund, Land und Gemeinden in einer gemeinsamen Kraftanstrengung den drohenden sozialen Kollaps abwenden. Dazu gehört die Errichtung eines landeseigenen Härtefall- bzw. Notfallfonds, der den Menschen vor Ort schnell und unbürokratisch unter die Arme greift. Wir dürfen in dieser schwierigen Zeit niemanden zurücklassen.“
Marco Brunotte, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, sagt: „In unseren Beratungsstellen, Einrichtungen und Diensten erleben wir immer mehr Menschen, die ihr tägliches Leben nicht mehr bezahlen können. Wir nehmen nicht hin, sie im Stich zu lassen. Die Landesregierung muss jetzt handeln und gezielt dort Sicherheit geben, wo die aktuellen Krisen für Verunsicherung und Existenzängste sorgen oder Armut verfestigen. Wenn politisches Handeln diesem Anspruch nicht gerecht wird, laufen wir Gefahr, dass die Menschen das Vertrauen in politische Institutionen und unsere demokratische Grundstruktur verlieren.“
Der Grundbedarf privater Haushalte muss bezahlbar sein und bleiben. Deshalb sollte ein Preis für den Grundverbrauch von Gas vorübergehend auf etwa 7,5 Cent gedeckelt werden. Ähnliche Regeln sollten für Öl und Strom gelten. Der Grundverbrauch sollte nach Haushaltsgröße und ggf. auch nach baulichen Standards weiter differenziert werden. Da lediglich der Grundverbrauch abgesichert wird, bleibt der Anreiz zum Energiesparen erhalten. Mit dieser Preisdeckelung würde eine echte Entlastung für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen sichergestellt werden. Die Landesregierung sollte sich auf Bundesebene für die zügige Umsetzung eines Energiepreisdeckels einsetzen.
Das Land sollte einen Notfallfonds für Menschen einrichten, die ihre Miete, Strom- oder Gasrechnungen nicht bezahlen können oder vor horrenden Nachzahlungen stehen. Dieser Fonds muss mit ausreichenden Finanzmitteln des Landes ausgestattet werden. Eine Größenordnung von 1 Mrd. Euro ist notwendig. Das Auszahlungsverfahren muss für die Antragssteller*innen möglichst niedrigschwellig und transparent ausgestaltet werden, damit die relevanten Zielgruppen mit dem Instrument auch erreicht werden können.
Es muss sichergestellt werden, dass Vermieter keine Kündigungen aussprechen, wenn Mieter durch die steigenden Lebenshaltungskosten in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Ebenfalls brauchen wir ein Moratorium für Energiesperren. Diese Instrumente sind von großer Bedeutung, um Sicherheit zu schaffen und keine zusätzlichen sozialen Krisen vor dem Hintergrund der Preissteigerungen auszulösen.
Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine drohen die die bereits während der Pandemie begonnenen wirtschaftlichen Störungen zu verschärfen (Lieferketten, Energieversorgung). Die Corona-Sonderregelungen zur Kurzarbeit sollten daher über den 30.9. hinaus fortgesetzt werden, um wirtschaftliche Krisenfolgen für betroffene Unternehmen und Beschäftigte abzumildern.
Die Preise des Warenkorbes von Menschen in der Grundsicherung (Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter) sind in den letzten Monaten enorm gestiegen. Turnusgemäße Anpassungen der Grundsicherung finden erst wieder in 2023 statt, die hohe Inflation trifft die Haushalte aber jetzt. Eine schnelle Erhöhung der Leistungen würde diese Menschen im zweiten Halbjahr 2022 kurzfristig entlasten. Die Landesregierung sollte sich beim Bund dringend dafür stark machen.
Die Armutsgefährdungsquote lag in Niedersachsen bereits im letzten Jahr (2021) bei 16,8 Prozent. Damit waren rund 1,3 Millionen Menschen von Armut betroffen. Konkret bedeutet das: Ein Haushalt mit einer Person musste mit einem Nettoeinkommen von unter 1118 Euro auskommen, eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bis 14 Jahren mit maximal 2346 Euro. Es liegt auf der Hand, dass eine Mehrbelastung von mehreren hundert Euro im Monat durch stark erhöhte Energie-, Miet- und Lebensmittelkosten für die Betroffenen in der Regel nicht tragbar ist. Tatsächlich gilt das auch für diejenigen, deren Einkommen etwas oberhalb dieser Armutsgefährdungsschwellen liegt. Daher ist davon auszugehen, dass mindestens ein Viertel aller Haushalte durch die steigenden Preise überfordert wird.
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