Deutscher Gewerkschaftsbund

02.02.2023
#schlaglicht 04/2023

Ausbildungslosigkeit: Bestenauslese kostet Fachkräfte

Die Arbeitgeber klagen über Fachkräftemangel. Aber die Probleme sind oft hausgemacht: Viele Betriebe bilden nicht aus, es wird zu häufig Bestenauslese betrieben. Helfen würde ein Zukunftsfonds und eine Ausbildungsgarantie. Das Land Bremen hat sich schon auf den Weg gemacht. Niedersachsen sollte nachziehen, meint das #schlaglicht 04/2023.

Zu abonnieren ist das #schlaglicht unter https://niedersachsen.dgb.de/service/newsletter

Teaser Ausbildung

DGB

Der Ernst des Lebens rückt für viele junge Menschen allmählich näher. Nach der kürzlich erfolgten Zeugnisausgabe und etwas Freizeit, heißt es nun, Bewerbungen schreiben, um mit den letzten Beurteilungen im Gepäck einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Die duale Berufsausbildung ist schließlich die Eintrittskarte in den Arbeitsmarkt. Mit ihr wird das fachliche Rüstzeug vermittelt, damit Jugendliche als Fachkräfte der nächsten Generation gesicherte Zukunftsaussichten haben. In vielen Bereichen gibt es reichlich zu tun.

Arbeitgeber üben sich in Klageliedern

Auf der anderen Seite klagen die Arbeitgeber tagein tagaus über den Mangel an qualifiziertem Personal. Ihre Story lautet: Nur zu gerne würden die Betriebe mehr ausbilden, aber zu wenige junge Menschen lassen sich für einen Ausbildungsberuf begeistern, wobei vor allem Schüler*innen mit Abitur lieber andere Wege einschlagen würden. Von Seiten des Handwerks wird in schrillen Tönen sogar von einem „Akademisierungswahn“ fabuliert, der der Branche dringend notwendige Fachkräfte entzieht.

Bestenauslese lautet die Devise

Dieser gefühlten Wahrheit stehen harte Fakten gegenüber. Laut einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung ist der Anteil von Personen mit Studienberechtigung, die in eine berufliche Ausbildung einmünden, in der letzten Dekade sukzessive angestiegen (hier). Mittlerweile liegt die Übergangsquote schon fast bei 50 Prozent. Demgegenüber haben sich die Chancen auf einen Ausbildungsplatz für junge Menschen mit einem Hauptschulabschluss immer weiter verschlechtert. Die Arbeitgeber sind Stück für Stück zu einer Bestenauslese übergegangen. Wer nicht dazu zählt, ist ziemlich schnell raus aus dem Bewerberpool.

Grafik "Anteil von 20- bis 34-Jährigen ohne Berufsabschluss"

DGB

Kernproblem Ausbildungslosigkeit

Und nicht nur das: Seit Jahren ist die Quote der Ausbildungsbetriebe rückläufig. Nur noch ein Fünftel macht sich die Mühe und öffnet jungen Menschen die Betriebstore! In Summe führen beide Faktoren dazu, dass Ausbildungslosigkeit in hohem Maße um sich greift. Nach den letzten verfügbaren Daten waren 2020 überdurchschnittliche 16,9 Prozent aller 20- bis 34-Jährigen in Niedersachsen ohne einen Berufsabschluss (siehe Grafik). Wenn die Betriebe dieses Potenzial links liegen lassen, dürfen sie sich im Anschluss über den Fachkräftemangel nicht wundern oder beschweren.

Lösung Zukunftsfonds und Ausbildungsgarantie

Um diesen fatalen Kurs zu korrigieren, mehr Fachkräfte zu gewinnen und den Jugendlichen Perspektiven zu geben, sind konkrete Maßnahmen gefragt. Der Bremer Senat hat aktuell die wegweisende Entscheidung getroffen, dass sich alle Betriebe über einen Ausbildungsfonds an den Kosten der betrieblichen Ausbildung beteiligen müssen. Chapeau! Wer ausbildet, kann im Gegenzug mit finanzieller Entlastung rechnen. Dieses Modell sollte die Niedersächsische Landesregierung, ergänzt durch einen Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz von Bundesebene, ebenfalls auf den Weg bringen.

Ankerfach zur Berufsorientierung

Zur Stärkung der Berufsorientierung bietet es sich zudem an, an allen Schulformen in Niedersachsen ein Ankerfach für Berufsbildung zu installieren. Die Möglichkeiten des dualen Systems und die sich daraus ergebenden beruflichen Werdegänge dürfen nicht an einem Mangel an Information scheitern. Die Einbindung der Sozialpartner in dieses Projekt könnte dieses Ziel sicherstellen.