Mal wieder läuft die Debatte um die Gewinnung von Fachkräften - zurzeit liegt der Fokus auf Zuwanderung. Diese kann unter fairen Bedingungen einen Beitrag leisten. Es muss aber vor allem auch darum gehen, das bereits vorhandene Fachkräftepotenzial besser zu nutzen. Das #schlaglicht 42/2022 aus Niedersachsen stellt dazu konkrete Maßnahmen vor.
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DGB Zahnräder Frau Fachkräfte
Alle Jahre, nein, alle paar Wochen wieder, kommt die Debatte um den Fachkräftemangel. Nachdem die Arbeitgeberlobby im Sommer mit dem schlechten Scherz einer 42-Stunden-Woche hausieren ging (hier), stand der Fokus zuletzt ganz unter dem Stern der Zuwanderung. Um die Integration von Migrant*innen zu fördern und den Zuzug für Fachkräfte attraktiver zu machen, plant die Ampel-Koalition in Berlin gegenwärtig eine schnellere Einbürgerung. CDU/CSU gifteten umgehend zurück, dass der deutsche Pass nicht zur „Ramschware“ verkommen dürfe. Willkommenskultur made in Germany!
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) spricht regelmäßig von einem demografisch bedingten jährlichen Bedarf von 400.000 Arbeitskräften aus dem Ausland. Zweifellos kann wohlüberlegte Erwerbsmigration einen Beitrag gegen Engpässe auf dem Arbeitsmarkt leisten. Gute Einwanderungspolitik darf sich aber nicht an leicht verfügbaren und möglichst billigen Arbeitskräften orientieren, sondern daran, Menschen gesellschaftlich nachhaltig zu integrieren. Und vor allem gilt es, einen ständigen Verdrängungswettbewerb zu vermeiden.
Es ist allerdings eindimensional, nur auf die Karte Zuwanderung – unabhängig von der genauen Größenordnung – zu setzen. Vielmehr muss es an erster Stelle darum gehen, dass schon vorhandene Fachkräftepotenzial zu aktivieren. Dazu gehört unter anderem die Steigerung der Erwerbsbeteiligung von bereits Eingewanderten und Menschen mit Migrationshintergrund. Um langfristige Erfolgsaussichten zu eröffnen, sind gesicherte Bleibeperspektiven, vereinfachte Anerkennungen von Berufsqualifikationen, berufsbegleitende Sprachkurse, genug Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und der Abbau von Diskriminierungen unerlässliche Voraussetzungen.
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Ein besonderer Schwerpunkt muss zudem auf dem Abbau von Hürden in der Arbeitswelt für Frauen liegen. Weibliche Beschäftigte wollen oft gerne mehr arbeiten, stecken aber in prekären Strukturen mit Niedriglöhnen fest. In Niedersachsen gibt es zurzeit etwas weniger als eine Millionen Teilzeitbeschäftigte. Vier von fünf unter ihnen sind Frauen, dazu liegt ihr Anteil bei den Minijobs bei knapp 60 Prozent (siehe Grafik). Mit Fachkräftesicherung haben diese Fakten nichts zu tun! Abhilfe verspricht auf der einen Seite eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flächendeckende Kinderbetreuung. Andererseits braucht es mehr gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung nach Tarifverträgen in frauendominierten Branchen sowie mehr Mitspracherechte der Beschäftigten bei der Arbeitszeit.
Nicht zuletzt gilt es, den Blick auf die Jugend zu richten. Es verträgt sich nicht gut mit dem ständigen Gejammer der Betriebe nach Fachkräften, wenn die Quote der niedersächsischen Ausbildungsbetriebe seit Jahren rückläufig ist, wenn die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge stetig sinkt und wenn etwa 44.000 Jugendliche im recht fragwürdigen Übergangssystem festhängen. Es ist höchste Zeit für eine über einen Zukunftsfonds finanzierte Ausbildungsplatzgarantie, die Fachpersonal und jungen Menschen eine Perspektive bietet.
Um den Bedarf an Fachkräften zu decken, ist also eine Kombination aus Aktivierung des inländischen Potenzials und ergänzender Einwanderung das Mittel der Wahl. Die Lösungen dafür liegen längst auf dem Tisch.
Das Positionspapier der DGB-Frauen zur Fachkräftesicherung hier einsehen oder unten downloaden: