Trotz ihrer sozialen und wirtschaftlichen Schlüsselrolle sind die Kommunen alles andere als finanziell gut gebettet. Als Folge schieben sie in Niedersachsen einen gewaltigen Investitionsstau vor sich her. Um ihre Handlungsfähigkeit zu sichern, fordert das #schlaglicht 34/2023 eine solidarische Tilgung der Altschulden und eine Gemeindewirtschaftssteuer.
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DGB/Minh Do via canva.com
Die Kommunen sind die Herzkammern des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Es sind die Orte, an denen die Menschen ihr zu Hause haben. In ihnen stehen Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Theater und Schwimmbäder. Sie sind für den ÖPNV und für den Bau von Straßen und Fahrradwegen zuständig, kümmern sich um die Müllabfuhr und die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser. Nicht zuletzt ist die kommunale Infrastruktur ein Standortfaktor für Unternehmen und damit für Arbeitsplätze von heute und morgen.
Trotz ihrer Schlüsselrolle sind die Kommunen finanziell alles andere als auf Samt gebettet. Die Abhängigkeit von den Gewerbesteuereinnahmen, Demografie, regionaler Strukturschwächen, hohen Schuldenständen und die Übertragung immer neuer Aufgaben durch Bund und Länder machen vielen von ihnen schwer zu schaffen. Die Folge: Etwa seit der Jahrtausendwende sind die kommunalen Nettoanlageinvestitionen negativ. Die investiven Ausgaben reichen also nicht einmal mehr aus, um den Werteverzehr durch Abnutzung aufzufangen. Dabei treten mit der Aufnahme und Integration von Geflüchteten sowie der sozial-ökologischen Transformation weitere Herausforderungen immer stärker in den Fokus.
Die Folgen, die entstehen, wenn Kommen wichtige Aufgaben nicht mehr ausreichend erfüllen können, erleben die Menschen jeden Tag hautnah. Krankenhäuser müssen schließen, Verkehrswege und Bildungseinrichtungen sind marode, es fehlt an Kitaplätzen und öffentliche Freizeitangebote werden zurückgefahren. Ebenso bleiben Unternehmensansiedelungen aus, wodurch wiederum Beschäftigung verloren geht. So entsteht der Nährboden für Politikverdrossenheit, den rechte Kräfte nur zu gut für sich zu nutzen wissen.
DGB
Die Situation in Niedersachsen ist mittlerweile bedenklich. Laut einer Erhebung des Landesrechnungshofes beläuft sich der Investitionsstau bei den großen selbstständigen Städten und Städten mit Sonderstatus – insgesamt 96 Kommunen – auf 12,4 Mrd. Euro. Über 60 Prozent davon entfallen allein auf Schulen und Straßen (siehe Grafik). Hinzu kommen nochmals 1,4 Mrd. Euro bei den verbundenen Unternehmen, so dass der Investitionsrückstand pro Kopf über 3.000 Euro beträgt.
Angesichts des enormen Sanierungs- und Erneuerungsbedarfs muss die Finanzbasis der Kommunen deutlich verbessert werden. Dafür ist bisherige Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirt-schaftsteuer, die die gesamten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (freie Berufe) einbezieht, weiterzuentwickeln. Nach dem DGB-Steuerkonzept würden damit in Niedersachsen einige hundert Mio. Euro an Mehreinnahmen entstehen.
Zweitens sollten Bund und Länder die kommunale Handlungsfähigkeit durch eine einmalige Übernahme ihrer Altschulden sicherstellen. Und an dritter Stelle muss das Prinzip der Konnexität endlich richtig umgesetzt werden. Das heißt: Wenn die Kommunen neue Aufgaben übernehmen sollen, müssen Bund und Länder auch die notwendigen Mittel dazu bereitstellen. Denn nur finanziell gut ausgestattete Kommunen können Investitionen leisten und so eine lebenswerte Zukunft sichern.