Deutscher Gewerkschaftsbund

02.03.2023
#schlaglicht 08/2023

Bereitschaft zum Jobwechsel: Nur Gute Arbeit macht Bock

Die Arbeitgeber fordern gerade mehr Bock auf Arbeit und bemühen dafür ihr Evergreen längerer Arbeitszeiten. Tatsächlich ist über ein Drittel der Beschäftigten wegen der Arbeitsbedingungen zum Jobwechsel bereit. Das #schlaglicht 08/2023 aus Niedersachsen fordert von den Betrieben mehr Bock auf Gute Arbeit, um Personal dauerhaft an sich zu binden.

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Teaser zwei Menschen wechseln den Job

DGB

Der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt, der Torwart war abwesend und Steffen Kampeter hat locker verwandelt. Leider scheint ihm dabei entgangen zu sein, dass er auf das eigene Tor gezielt hat. Ende letzter Woche hat der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mehr „Bock auf Arbeit“ und in diesem Zuge längere Arbeitszeiten von den Beschäftigten eingefordert. Garniert wurde dieser Vorschlag noch mit dem Hinweis, dass es auch dann mit der Work-Life-Balance irgendwie klappen würde (hier). Wie bei Eigentoren so üblich, hielt sich der Applaus in sehr engen Grenzen – bestenfalls.

Über ein Drittel für Jobwechsel offen

Sollte dieser Appell von den Arbeitgebern als Beitrag zur Fachkräftesicherung oder Motivationsspritze für die Belegschaften gemeint gewesen sein, kann man getrost von einem Debakel sprechen. Eine aktuelle forsa-Umfrage hat ergeben, dass sich 37 Prozent der Beschäftigten einen Jobwechsel vorstellen können (hier). Es ist der zweithöchste Wert seit der ersten Erhebung im Jahr 2012. Besonders ausgeprägt ist die Wechselbereitschaft in der Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen, in der sich fast die Hälfte der Befragten dafür offen zeigt.

Gehalt und Stress als Haupttreiber

Die Hauptreiber dafür sind alte Bekannte. Knapp fünf von zehn Beschäftigten sind unzufrieden mit ihrem bisherigen Gehalt und ziehen deshalb einen neuen Arbeitgeber in Erwägung. Mehr als ein Drittel beklagt eine durch ein hohes Stresslevel verursachte Überlastung. Weitere Beweggründe für eine mögliche Neuorientierung sind Unzufriedenheit mit der direkten Führungskraft oder den eigenen Aufgaben sowie der Mangel an Aufstiegsperspektiven (siehe Grafik). Fakt ist: Beschäftigte haben keinen Bock auf schlechte Arbeitsbedingungen!

Grafik "Gründe für Jobwechselbereitschaft bei Beschäftigten"

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Beschäftigte haben klare Ansprüche

Damit könnte sich eine Tendenz fortsetzen, die bereits während Corona zu beobachten war. In dieser Zeit haben viele Beschäftigte die Möglichkeit ergriffen und sich einen besseren Arbeitsplatz gesucht. Gerade die junge Generation hat klare Prioritäten. Sie verlangt eine gute Bezahlung statt Lohndumping, Jobsicherheit statt Befristungen und Minijobs. Um den familiären Erfordernissen gerecht zu werden, stehen Arbeitszeiten hoch im Kurs, die sich nicht bis in den späten Abend hineinziehen und dazu noch die Gesundheit gefährden.

Mitbestimmung und Tarifverträge stärken

Wollen die Arbeitgeber in Zeiten hohen Fachkräftebedarfs qualifiziertes Personal halten, müssen sie sich mehr anstrengen. Seit Jahren begehen zu viele Betriebe Tarifflucht und setzen auf prekäre Jobs, wodurch den Beschäftigten bei Löhnen, Sonderzahlungen, Urlaubstagen und Kündigungsfristen deutliche Nachteile entstehen. Mehr Tarifverträge inklusive betrieblicher Mitbestimmung und Weiterbildungsangeboten sind wichtige Instrumente, um sie vom Verbleib zu überzeugen.

Ruf nach Mehrarbeit völlig unangebracht

Ebenso wichtig sind Arbeitszeitmodelle, die sich in die konkreten Lebenssituationen der Menschen einfügen. Der Ruf nach Mehrarbeit ist nichts als eine Plattitüde aus der Mottenkiste und wirkt realitätsfremd. Beschäftigte sind motiviert und produktiv, wenn sie nicht ständig überarbeitet und von Entgrenzungen betroffen sind. Diesen Herausforderungen müssen sich die Arbeitgeber endlich stellen. Ansonsten wird mit den Füßen abgestimmt!