Deutscher Gewerkschaftsbund

17.08.2023
#schlaglicht 26/2023

Industriestrompreis: Brücke in die Dekarbonisierung

Die hohen Strompreise belasten die energieintensive Industrie. Um Investitionen in eine klimaneutrale Zukunft zu unterstützen, wäre ein gedeckelter Industriestrompreis für eine Übergangsphase ein geeignetes Mittel. Unterstützung darf es aber nur tarifgebundene und standorttreue Betriebe geben, fordert das #schlaglicht 26/2023.

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Teaser Industrie

DGB via canva.com

Die ökonomische Dynamik in der Bundesrepublik kommt nicht in Schwung. Nach einer leichten Rezession im ersten Quartal hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen April und Juni nur stagniert. Neben der auf die Kaufkraft drückenden Inflation und einem durch starke Zinsanstiege eingetrübten Bausektor, schwächelt auch die energieintensive Industrie. Dazu gehören bekannte Schwergewichte wie die Herstellung von chemischen Erzeugnissen, die Stahlbranche oder auch die Glas- und Nahrungsmittelproduktion.

Energieintensive Produktion lahmt

Deutlich ablesbar sind die gegenwärtigen Probleme an den harten Kennziffern. Während sich das verarbeitende Gewerbe in Gänze nach der Erholung vom Corona-Crash zumindest annähernd robust zeigt, ist die Produktionsleistung der energieintensiven Industrie unter das Pandemie-Niveau herabgesunken (siehe Grafik). Insgesamt lag der Ausstoß im Juni um über 12 Prozent unter dem Vorjahresmonat.

Strompreise auf hohem Niveau

Ursache für diesen Rückgang sind insbesondere die stark gestiegenen Strompreise. Diese sind einerseits eine Folge des Ukrainekrieges. Auf der anderen Seite läuft der Ausbau der erneuerbaren Energien noch nicht schnell genug, um ausreichend günstigen Strom zu produzieren. Im Ergebnis sieht sich die energieintensive Industrie mit im internationalen Vergleich hohen Kosten konfrontiert. Während der Preis pro Kilowattstunde Strom hierzulande oft bei mehr als 13 Cent liegt, sind es in Frankreich unter 5 Cent, in den USA oft sogar unter 4 Cent. Ein Standortnachteil, der zugleich die Dekarbonisierung hemmt.

Grafik "Produktionsindex im verarbeitenden Gewerbe"

DGB

Transformation braucht Industrie

Dabei ist klar: Die hochwertigen Produkte der energieintensiven Industrie, hinter der mit ihren nachgelagerten Produktionsketten viele gute, tarifgebundene Arbeitsplätze stehen, sind essenziell für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation. Jetzt stehen die Investitionsentscheidungen an, mit denen die Unternehmen in die klimaneutrale Zukunft gehen wollen. Es wäre alles andere als zielführend, wenn aufgrund hoher Strompreise vor Ort industrielle Wertschöpfung und Beschäftigung verlorengehen und die Produktion unter schlechteren Bedingungen anderswo stattfinden würde.

Industriestrompreis als Brücke

Mittelfristig hilft dagegen nur ein forcierter Ausbau der erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Netze sowie eine Reform des Strommarktdesigns, das für eine faire Bepreisung in allen Regionen sorgt. Für eine Übergangsphase muss für die Betriebe aber Planungssicherheit über einen zeitlich gedeckelten Industriestrompreis von 5 Cent pro Kilowattstunde hergestellt werden. Sowohl das Bundeswirtschaftsministerium als auch die Niedersächsische Landesregierung haben dafür Konzepte entwickelt. Nur Bundesfinanzminister Christian Lindner steht mal wieder auf der Schuldenbremse.

Klare Kriterien bei Inanspruchnahme

Die beiden anderen Koalitionspartner sollten dementsprechend weiter Druck ausüben. Allerdings muss ein Industriestrompreis an klare Bedingungen geknüpft sein. Eine Unterstützung dürfen nur tarifgebundene und standorttreue Betriebe erhalten, die sich zur Beschäftigungssicherung und zum klimaneutralen Umbau ihrer Produktion verpflichten. Bedingungsloses Geld vom Staat gilt es auszuschließen. Nur damit wäre ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung geleistet.