Deutscher Gewerkschaftsbund

17.05.2023
#schlaglicht 19/2023

Fachkräftebedarf? Ausbildungslosigkeit stoppen!

Immer mehr junge Menschen haben keine Berufsausbildung. Damit werden Zukunftschancen verbaut und Fachkräftepotenziale verschenkt. Nun muss der Bundestag zügig die Ausbildungsgarantie auf den Weg bringen. Zusätzlich braucht es in Niedersachsen einen Ausbildungsfonds, an dem sich alle Betriebe beteiligen, meint das #schlaglicht 19/2023.

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Teaser

DGB/iconpix via canva.com

Der jüngst veröffentlichte Berufsbildungsbericht der Bundesregierung hatte bedrückende Fakten parat. Im Jahr 2021 waren über 2,6 Mio. aller 20- bis 34-Jährigen in der Bundesrepublik ohne Berufsabschluss. 17,8 Prozent dieser Altersgruppe gelten damit als ungelernt. Eine bildungspolitische Bankrotterklärung! Für junge Menschen ist eine Berufsausbildung die Rückversicherung, um dauerhaft in der Arbeitswelt Fuß fassen zu können. Gleichzeitig steht der hohe Stand an Ausbildungslosigkeit im krassen Widerspruch zum immer wieder thematisierten Bedarf an ausreichend Fachkräften.

Immer weniger Betriebe bilden aus

Vom Himmel gefallen ist dieser verheerende Ist-Zustand allerdings nicht, sondern hat eine längere Vorgeschichte. Obwohl die Betriebe nonstop nach qualifiziertem Personal rufen, sind immer weniger von ihnen in Niedersachsen bereit, selbst etwas dafür zu tun. Im letzten Jahrzehnt ist die Quote der Ausbildungsbetriebe kontinuierlich auf dem Rückmarsch, kaum mehr als ein Fünftel bildet noch aus (siehe Grafik). Zuletzt wurden über 12.000 neue Ausbildungsverträge weniger unterzeichnet als im Jahr 2011. Das Mismatch bei den Ausbildungsplätzen wächst stetig weiter an.

Elitenauslese statt Chancen für alle

Ein zentraler Faktor für diese Entwicklung liegt darin begründet, dass immer mehr Betriebe Rosinenpickerei betreiben. In den vergangenen Jahren hat sich der Anteil der Personen, die mit Studienberechtigung eine duale Ausbildung beginnen, deutlich erhöht. Viele von ihnen verlassen jedoch kurz danach den Betrieb in Richtung Hochschule. Im Gegenzug ist es mit den Chancen auf einen Ausbildungsplatz für junge Menschen mit Hauptschulabschluss sukzessive bergab gegangen. Dabei bestehen bei ihnen besonders gute Aussichten, dass sie den Betrieben langfristig erhalten bleiben. Ein Musterbeispiel für eine widersinnige Elitenauslese.

Grafik "Rückgang der Ausbildungsbetriebsquote in Niedersachsen"

DGB

Ausbildungsgarantie schnell einführen

Bloße Appelle an die Betriebe reichen in dieser Lage längst nicht mehr aus. Als Antwort hat das Bundeskabinett – auch auf gewerkschaftlichen Druck hin – im Rahmen des Weiterbildungsgesetzes eine Ausbildungsgarantie beschlossen. Gut so! Durch sie sollen junge Menschen ohne Ausbildungsplatz im Betrieb das Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung erhalten. Nun muss der Bundestag schleunigst für die Umsetzung sorgen.

Bremer Ausbildungsfonds als Blaupause

Trotzdem gilt: Durch ihre Praxisnähe ist die betriebliche Ausbildung die erste Wahl. Deshalb hat der Bremer Senat einen Ausbildungsfonds auf den Weg gebracht, an dem sich alle Betriebe im Land finanziell beteiligen müssen. Wer ausbildet, erhält als Gegenleistung Mittel aus diesem Topf zurück und kann zusätzlich unterstützende Angebote, wie Deutschkurse für Azubis, Beratungsangebote und Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Nur Trittbrettfahrer, die nichts für die Nachwuchsgewinnung tun, gehen leer aus.

Handlungsbedarf in Niedersachsen

Die Landesregierung sollte sich am Bremer Modell orientieren und auf Niedersachsen übertragen, um hiermit einen Anreiz zu setzen für mehr Ausbildungsplätze. Und ganz grundsätzlich müssen die Betriebe endlich anfangen, ihre Kriterien der Ausbildungsvergabe zu hinterfragen. Weder sie noch die Gesellschaft können es sich länger leisten, bestehende Fachkräftepotenziale ungenutzt zu lassen und Zukunftsperspektiven zu verbauen.