Deutscher Gewerkschaftsbund

11.05.2023
#schlaglicht 18/2023

4-Tage-Woche: Eine Idee erobert das Land

Die 4-Tage-Woche ist in aller Munde. Während viele Beschäftigte sich diese wünschen, reagieren die Arbeitgeberverbände reflexartig mit Ablehnung. Dabei gibt es sowohl gute Gründe dafür als auch Möglichkeiten zur Umsetzung. Das #schlaglicht 18/2023 aus Niedersachsen plädiert für eine Diskussion ohne ideologische Denkverbote.

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Teaser Kalender zeigt eine 4

DGB/KimmeryCraft via canva.com

Es war ein Paukenschlag, mit dem sich die IG Metall Anfang April öffentlich zu Wort gemeldet hat. Wenn im November die Tarifrunde in der nordwestdeutschen Stahlindustrie startet, wird die Gewerkschaft mit der Forderung nach einer 4-Tage-Woche ins Rennen gehen – bei vollem Lohnausgleich versteht sich. Konkret geht es um eine Reduzierung der derzeitigen Wochenarbeitszeit von 35 auf 32 Stunden. Zusätzlich zu einer verbesserten Gesundheit und Lebensqualität der Beschäftigten, spielen dabei auch eine attraktivere Gestaltung der Branche sowie der Erhalt von Arbeitsplätzen eine Rolle. Eine Idee mit Vorbildcharakter?

Hohe Zustimmung bei Beschäftigten

Nach Ansicht der Arbeitgeberverbände erwartungsgemäß nicht. Fragen nach der Arbeitszeit lösen bei ihnen seit jeher Schnappatmung aus, obwohl in Zeiten eines hohen Fachkräftebedarfs ein Umdenken erforderlich sein könnte. Laut einer aktuellen Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) befürworten 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten eine 4-Tage-Woche, etwa drei Viertel jedoch nur bei gleichem Lohn. Als Gründe dafür gelten neben gesundheitlichen Problemen und einer geringeren Arbeitsbelastung vor allem mehr Zeit für die Familie und sich selbst (siehe Grafik). Ein deutlicher Fingerzweig auf sich verändernde Bedürfnisse und Schwierigkeiten mit einer zunehmenden Arbeitsverdichtung.

Erste Modellversuche in Europa

Derweil sind interessante Entwicklungen zu beobachten. In Spanien fördert die Regierung kleine und mittlere Betriebe mit fast 10 Mrd. Euro, um die 4-Tage-Woche zu testen. Eine britische Studie, an der sich 61 Unternehmen beteiligten, hat festgestellt, dass sich die Einnahmen und die Produktivität erhöhten, die Krankmeldungen zurückgingen und die Zufriedenheit der Beschäftigten anstieg.

Grafik "Gründe für Wunsch nach 4-Tage-Woche"

DGB

Reine Zeitumschichtung ist kritisch

Klar ist: Es kommt auf das genaue Modell an. Eine 4-Tage-Woche, die keine Arbeitszeitverkürzung vorsieht, sondern nur die überschüssigen Stunden auf die restlichen Arbeitstage umschichtet, ist problematisch. Nach mehr als acht Stunden nimmt das Unfallrisiko am Arbeitsplatz exponentiell zu. Verlängert sich die tägliche Arbeitszeit über die 8-Stunden-Grenze hinaus, erhöht sich außerdem die Gefahr, dass sich bei den Beschäftigten Herz-Kreislauf-Erkrankungen manifestieren.

Arbeitsprozesse und Sorgearbeit im Blick

Für die betriebliche Umsetzung gibt es bessere Alternativen inklusive geringerer Arbeitszeiten. Eindeutige Vertretungsregeln, eine verbesserte Arbeitsorganisation als auch Automatisierung und Digitalisierung bieten Produktivitätspotenziale. Ebenso möchten viele Frauen, die in Teilzeit arbeiten, gerne ihre Arbeitzeit aufstocken, so dass sich auch neues Personal als Ausgleich gewinnen ließe. Dies muss wiederum mit einem Ausbau von Kinderbetreungsangeboten und einer gerechteren Verteilung der Sorgearbeit verbunden sein.

Offene Debatte statt Denkverboten

Ist die 4-Tage-Woche nun auf alle Branchen anwendbar? Vielleicht nicht. Es darf aber auch keine Denkverbote geben. Vielmehr sollten die Chancen ausgelotet werden – ohne ideologische Scheuklappen. Arbeitgeber, die um Fachkräfte buhlen, besitzen ein Instrument, um auf die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten einzugehen und damit ihre Attraktivität zu steigern. Wenn es dabei zu tarifvertraglichen Arrangements kommt – umso besser.