Einige Arbeitgeber wettern gegen das geplante Bürgergeld. Sie behaupten, Arbeit lohne sich nicht mehr. Das ist falsch. Schon beim Mindestlohn bleibt für die Beschäftigten mehr übrig. Die Diskreditierung einer Sozialleistung ist eiskalt und geht völlig am Thema vorbei. Wer Personal will, muss gut bezahlen, meint das #schlaglicht 36/2022 aus Niedersachsen.
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Viele Menschen sind in großer Sorge. Die Kosten für Energie, Mobilität und auch Lebensmittel steigen und steigen. Die Bundesregierung hat mit mehreren Entlastungspakten bereits gegengesteuert, manche Maßnahmen warten noch auf ihre Umsetzung. Trotzdem bleibt die Lage ernst. Noch nie war es deshalb weniger angebracht, soziale Spaltung aktiv zu betreiben und Personengruppen gegeneinander auszuspielen. Teile des Arbeitgeberlagers scheint dies aber nicht zu scheren. Zuletzt wurde von ihnen eine zynische Diskussion angezettelt.
Was ist geschehen? Im Januar 2023 soll das Bürgergeld, das gegenwärtige Hartz-IV-Regime ersetzen. Vorgesehen sind ein um 53 Euro erhöhter Regelsatz auf insgesamt 502 Euro (für Alleinstehende), mehr Schutz für Ersparnisse, die volle Übernahme von Heizkosten und weniger Sanktionen. Für die Arbeitgeber offenbar zu viel des Guten. Wahlweise schimpfen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Gesamtmetall und der Zentralverband des Deutschen Handwerks über eine „Bankrotterklärung“, sprechen despektierlich von einer „Grundversorgung“ und befürchten die „Demotivation“ von Beschäftigten im Niedriglohnbereich. Grundtenor: Arbeit würde sich nicht mehr lohnen.
Mal abgesehen von der Tatsache, dass die Erhöhung des Bürgergeldes nur in etwa die Inflation ausgleicht, sind solche Geistesblitze grob falsch. Die Fakten zeigen in die andere Richtung. Schon Beschäftigte, die den 12-Euro-Mindestlohn erhalten, haben je nach Haushaltszusammensetzung und Arbeitsvolumen zum Teil deutlich mehr Einkommen zur Verfügung als Personen im Bürgergeldbezug (siehe Tabelle). Mit jedem weiteren Euro Lohn steigt der Abstand weiter. Und dabei sind die im nächsten Jahr kommenden Steuerentlastungen und das reformierte Wohngeld noch nicht inbegriffen.
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Ebenso läuft die Forderung der Wirtschaftsverbände nach der Aufrechterhaltung von Sanktionsmöglichkeiten ins Leere. Aktuell ist die erste Langzeitstudie zu diesem Thema erschienen (hier). Im Endergebnis verfehlen die bisherigen Sanktionierungen ihren Zweck, Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen. Stattdessen führen sie zu einer allgemeinen Kultur des Misstrauens. Die Betroffenen werden durch Kürzungen erheblichen finanziellen Risiken ausgesetzt, die die soziale Isolation fördern und psychische Erkrankungen verursachen können.
Tatsächlich sagt die versuchte Spaltung der Arbeitgeber zwischen Erwerbslosen und Beschäftigten mit geringen Einkommen sehr viel über sie selbst aus. Wenn Betriebe das Existenzminimum als Bedrohung ansehen, weil dadurch Beschäftigte bei ihnen nicht mehr tätig sein wollen würden, haben sie ein ernsthaftes Problem mit ihrem Geschäftsmodell, das auf Lohndumping und prekärer Arbeit beruht. Wer Personal gewinnen will, muss auf gute Bezahlung, vorzugsweise durch Tariflöhne, setzen. Angebot und Nachfrage heißt das Prinzip.
Fazit: Die Störmanöver der Arbeitgeber gegen das Bürgergeld entbehren jeglicher Grundlage. Gerade in einer Krisenzeit, in der viele Menschen von Existenzängsten geplagt sind, ist die Diskreditierung einer notwendigen Sozialleistung ein Akt der sozialen Kälte. Betriebe, die ihre Attraktivität wirklich sichern möchten, haben mit höheren Löhnen das beste Mittel selbst in der Hand!