Deutscher Gewerkschaftsbund

23.03.2023
#schlaglicht 11/2023

Clearingstelle Bürokratieabbau: Überflüssig, teuer, undemokratisch!

Seit 2020 existiert in Niedersachsen unter dem Dach der IHK mit der Clearingstelle ein Konstrukt, dass Unternehmen von Bürokratie entlasten soll. Schon im Entstehungsprozess hat sie Zugriff auf Gesetze. Ein weder demokratischer noch unabhängiger Vorgang. Die Landesregierung muss sie einstampfen, fordert das #schlaglicht 11/2023.

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Teaser Text mit Lupe, Auge

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Bürokratie steht allgemein in einem eher schlechten Ruf. Gerade Unternehmen sind schnell dabei und framen sie als Bremsklotz oder Hemmschuh bei ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten. In diesem Sinne dürfte es nach ihrem Geschmack gewesen sein, als vor Kurzem in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) ein wenig kritischer Artikel über die Clearingstelle Bürokratieabbau des Landes Niedersachsen erschienen ist und deren bisheriges Wirken lobt (hier). Tatsächlich verbirgt sich dahinter aber ein höchst problematischer Fall.

Clearingstelle verschlingt Steuergeld

Rückblick: 2020 wurde von Ex-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann die Clearingstelle Bürokratieabbau installiert und bei der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) geparkt. Die Landesregierung hat das Projekt jüngst bis 2024 verlängert. Ihre Aufgabe besteht darin, bereits im Entstehungsprozess Gesetze und Verordnung des Landes – unabhängig! – auf ihre Mittelstandsfreundlichkeit zu prüfen, um so kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von bürokratischen Aufwänden zu befreien. Insgesamt wird der Spaß 2,7 Mio. Euro an Steuergeldern kosten.

Fragenkatalog ohne Antworten

Angesichts dieser Konstruktion müssen alle Alarmglocken schrillen. Ein kleines FAQ ohne Antworten: Wie kann die Clearingstelle, die bei der IHKN angedockt ist und in deren Beirat sich Arbeitgeberverbände und Kammern tummeln, neutral sein? Wie kann es sein, dass die Arbeitgeberseite einen Exklusivzugriff auf Gesetze und Verordnungen erhält? Wie lässt sich ein solches Verfahren demokratisch rechtfertigen? Warum fließt dafür Steuergeld? Wieso wurde die Clearingstelle geschaffen, obwohl im Wirtschaftsministerium schon eine Stabstelle für Bürokratieabbau existiert? Wo liegt ihr Mehrwert? Und warum werden nicht andere Stellen, etwa für Gute Arbeit oder Klimaschutz, eingerichtet? Fragen über Fragen.

Grafik "Entwicklung des Bürokratiekostenindex für Unternehmen"

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Bürokratiekosten zuletzt rückläufig

Nicht nur gibt es bis heute keine schlüssigen Auskünfte. Auch Urteile, wonach der bürokratische Aufwand für Unternehmen ständig ansteigt, sind zu pauschal. So ist beispielsweise der vom Statistischen Bundesamt erhobene Bürokratiekostenindex (BKI), der die Belastungen durch bundesrechtliche Anträge, Meldungen, Kennzeichnungen, Statistiken und Nachweise misst, in den letzten zehn Jahren sichtlich gesunken (siehe Grafik). Dafür hat es aber keine Clearingstelle gebraucht.

Rechtsstaat erfordert Bürokratie

Auch wenn Bürokratie bisweilen störend erscheint, ist sie ein hohes Gut. Sie ist die Voraussetzung für einen Rechtsstaat, dessen Vorschriften vor Willkür schützen und der Wirtschaft damit verlässliche Standortbedingungen bietet. In einer Bananenrepublik ohne Regeln läuft es anders. Selbst Unternehmen schätzen die Arbeit der Behörden, wenn es um die Bearbeitung ihrer Anliegen geht (hier). Prinzipielles Misstrauen ist daher fehl am Platze.

Clearingstelle zügig abwickeln

Kurz gesagt: Es besteht kein Bedarf an einer mit Steuermitteln finanzierten Doppelstruktur, in der die Arbeitgeberlobby ihre Runden abhält, um staatliche Regelungen schon im Vorfeld in ihrem Sinne zu verändern. Dafür sind demokratisch legitimierte Anhörungsverfahren da. Die Landesregierung täte gut daran, die unnütze Clearingstelle Bürokratieabbau im Jahr 2024 zu den Akten zu legen!