Deutscher Gewerkschaftsbund

14.05.2020
#schlaglicht 19/2020

Fleischindustrie & Corona: Die wahre Seuche heißt Ausbeutung

Corona in der Fleischindustrie - überraschend? Seit Jahren sind die üblen Lebens- und Arbeitsbedingungen der überwiegend osteuropäischen Beschäftigten bekannt. Es ist höchste Zeit, die Ausbeutung und Gefährdung der Arbeiter in der Branche zu beenden. Was braucht es dazu? Mehr Kontrollpersonal in den Behörden, Schluss mit Werkverträgen, die neuen Standards für Unterkünfte einhalten - appelliert das #schlaglicht 19/2020.

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Arbeiter in der Fleischindustrie zerlegen Fleischstücke

DGB/Artem Merzlenko/123RF.com

Jetzt hat es auch Niedersachsen erwischt. Nachdem es bei Beschäftigten auf Schlachthöfen in anderen Bundesländern zu Infektionen mit Covid-19 gekommen ist, wurden nun im Emsland die ersten positiven Fälle bestätigt. Die Landesregierung hat bereits reagiert und umfangreiche Tests in der Fleischindustrie angekündigt. Das ist notwendig, um die Gesundheit der dort arbeitenden Beschäftigten besser zu schützen. Dessen ungeachtet: Der Corona-Ausbruch ist nur das jüngste Symptom einer viel tiefergehenden Krise. Das auf Werkverträgen fußende System ist – von einigen Ausnahmen abgesehen – krank. Und zwar nicht erst seit gestern!

Für die Beschäftigten ist Ausbeutung Standard

Seit langer Zeit tragen die Arbeitgeber der Fleischindustrien ihren ruinösen Wettbewerb überwiegend auf dem Rücken der Beschäftigten aus. Ausbeutung ist die wahre Seuche der Branche. Es herrscht nur ein Motto: Billig ist nicht billig genug. Das hat dazu geführt, dass rund 80 Prozent der zumeist osteuropäischen Arbeiter über Subunternehmen mit schlecht bezahlten Werkverträgen abgespeist werden. Nur noch zu einem Bruchteil wird das Kerngeschäft von Stammbelegschaften erledigt. Als Bezahlung gibt es zwar offiziell den Mindestlohn. Doch durch das Koppeln an bestimmte Leistungen oder fragwürdige Zeitabrechnungen wird er oft genug umgangen. Tarifverträge kennen die meisten Beschäftigten – wenn überhaupt – nur vom Hörensagen.

Gesundheitsschutz jahrelang vernachlässigt

Obendrauf kommt noch der jahrelang vernachlässigte Gesundheitsschutz. In den Massenunterkünften werden die Beschäftigten dicht an dicht in kleinen Zimmern zusammengedrängt. Auf dem Weg zur ihrem Arbeitsplatz finden sie sich jeden Tag in vollgestopften Bussen wieder. Höchst problematisch sind auch die viel zu geringen Abstände an den Zerlegebändern und in den Umkleiden. Unter solchen hygienischen Bedingungen können die jetzt aufgetretenen Corona-Infektionen für niemanden eine Überraschung sein. Das Wohl der Beschäftigten war schon längst abgemeldet!

Grafik "Entwicklung der FKS-Arbeitgeberprüfungen in der Fleischindustrie"

DGB

Umso wichtiger wären engmaschige Kontrollen. Genau hier passiert aber zu wenig. Seit 2012 geht es in Niedersachsen mit den Arbeitgeberprüfungen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in der Tendenz bergab. Gerade einmal sechzehn Betriebe wurden von Januar bis Mai 2019 untersucht (siehe Grafik). Zum Vergleich: Die niedersächsische Gesamtzahl der fleischverarbeitenden Betriebe beläuft sich auf 183. Bei so wenigen Kontrollen verwundert es nicht, dass zuletzt kaum noch Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wurden. Da ist viel Luft nach oben.

Werkverträge im Kerngeschäft verbieten

Klar ist: In vielen Fleischbetrieben waren die Zustände schon vor der Pandemie miserabel. Die Corona-Fälle sind das Resultat eines Preiskampfes, der auf Lohndumping und dürftigen Gesundheitsvorkehrungen beruht. Um das Infektionsrisiko zu minimieren, hat das Sozialministerium jetzt die Gewerbeaufsicht immerhin aufgefordert, Betriebe mit mehr als 100 Werkvertragsbeschäftigten zu überprüfen. Das reicht nicht! Die Kontrollbehörden benötigen mehr Personal. Die neuen Standards für die Unterkünfte sind zwingend einzuhalten. Werkverträge für Kernaufgaben eines Unternehmens sind zu verbieten und ein Branchenmindestlohntarifvertrag einzuführen. Sonst endet die Ausbeutung der Beschäftigten niemals!

 

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