Der Lohnrückstand von Frauen gegenüber Männern beträgt in Niedersachsen noch immer 19 Prozent. Bis zum heutigen Equal Pay Day haben weibliche Beschäftigte statistisch gesehen gratis gearbeitet – 66 Tage! Um diese strukturelle Ungerechtigkeit endlich zu überwinden, fordert das #schlaglicht 09/2022 ein ganzes Bündel an politischen Maßnahmen.
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DGB/Le Moal Olivier/123RF.com
Wer etwas über Gleichstellung am Arbeitsplatz lernen möchte, muss unbedingt im niedersächsischen Varel vorbeischauen. Als der Süßwarenhersteller Bahlsen am dortigen Standort vor einigen Jahren weibliche Beschäftigte trotz gleicher Tätigkeit schlechter gruppierte als die männlichen Kollegen, wurde der Betriebsrat um seine Vorsitzende Manuela Haase sofort aktiv. Nach hartem Ringen konnten die Löhne der Frauen auf das Niveau der Männer angehoben werden. Dafür bekam das Gremium 2020 den Deutschen Betriebsräte-Preis in Gold.
Auch wenn es sich hierbei um ein positives Beispiel handelt, wird sehr deutlich, dass die gleiche Bezahlung von Frauen leider keine Selbstverständlichkeit ist. Im Gegenteil: Bis zum – in diesem Jahr auf den 7. März fallenden – Equal Pay Day haben weibliche Beschäftigte rechnerisch umsonst gearbeitet. In Niedersachsen beträgt der Gender Pay Gap – die geschlechtsspezifische Lohnlücke – immer noch 19 Prozent. Der Rückgang in der letzten Dekade fällt äußerst bescheiden aus (siehe Grafik). Durchschnittlich verdienen Frauen über 4 Euro brutto pro Stunde weniger. Jeder Cent ist einer zu viel!
Der weibliche Verdienstrückstand lässt sich in allen Branchen beobachten. Es ist aber auffallend, dass der Abstand im öffentlichen Bereich wesentlich geringer ausgeprägt ist als in der Privatwirtschaft. Besonders große Differenzen gibt es im Gesundheits- und Sozialwesen, im Finanzsektor, dem verarbeitenden Gewerbe sowie im Handel.
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Die Gründe für diese Schieflage sind gut dokumentiert. Frauen tragen weiterhin die Hauptlast bei der Haus- und Sorgearbeit. Im Januar hat ein fast Fünftel von ihnen mit betreuungsbedürftigen Kindern pandemiebedingt die Arbeitszeit reduziert, bei den Männern waren es nur 6 Prozent. Als Folge von Erwerbsbrüchen stecken weibliche Beschäftigte öfter in unfreiwilliger Teilzeit fest oder arbeiten in prekären Minijobs – allein in Niedersachsen sind es 421.000. Darüber hinaus fallen die Entgelte in Berufsfeldern mit hohem Frauenanteil allgemein schlechter aus. Strukturelle Diskriminierung sorgt dafür, dass selbst bei gleicher Qualifikation weniger bezahlt wird.
Bestes Mittel gegen die Lohnlücke sind Tarifverträge, denn sie garantieren Transparenz und Vergleichbarkeit. Laut Verdienststrukturerhebung lag der Gender Pay Gap bei niedersächsischen Vollzeitbeschäftigten in nicht-tarifgebundenen Betrieben 2018 bei 20,5 Prozent. Mit Tarifvertrag fiel die Kluft mit nur 13,2 Prozent um über ein Drittel niedriger aus. Geschlechtergerechtigkeit ist für tarifflüchtige Arbeitgeber offensichtlich ein absolutes Fremdwort.
Um die großen Defizite bei der Bezahlung von Frauen aufzuholen, muss die Tarifbindung auch politisch gestärkt werden. Daneben braucht es eine generelle Aufwertung der sozialen Berufe. Damit der 12-Euro-Mindestlohn nicht konterkariert wird, darf es keine Erhöhung der Verdienstgrenzen bei den Minijobs geben. Für eine geschlechtergerechte Aufteilung der Sorgearbeit ist der Ausbau von Betreuungsangeboten weiter voranzutreiben. Nötig ist auch eine gerechtere Verteilung der Hausarbeit. Zudem muss das Entgelttransparenzgesetz wirksamer gestaltet werden. Her mit equal pay every day!