Die Bundesregierung will den Solidaritätszuschlag abschaffen. Zumindest für die allermeisten. Das Steuersystem wird dadurch nicht gerechter. Und es fehlt noch mehr Geld für dringende Investitionen. Die politische Einschätzung des DGB Niedersachsen zur Abschaffung des Soli ist im #schlaglicht Nummer 29/2019 zu lesen.
DGB/Colourbox.com
Politik findet in Zyklen statt. In regelmäßigen Abständen schwirren die gleichen Themen durch die Manege. Jahrelang war auch die Debatte um den Solidaritätszuschlag eine Never-Ending-Story. Vor kaum neun Monaten hat sich unser niedersächsischer Finanzminister für dessen Abschaffung ausgesprochen. Schon damals wusste er sich einig mit einem großen Bündnis aus Parteien und Arbeitgebern, die den Soli mehr oder minder streichen wollten. Nun hat die GroKo in Berlin per Kabinettsbeschluss Nägel mit Köpfen gemacht. Der Steuerzuschlag soll zukünftig für 96,5 Prozent der Einkommen ganz oder teilweise entfallen. Die Union wollte zwar mehr, aber trotzdem: Das Ende des Soli naht.
Als Begründung immer mit an Bord sind die altbekannten Argumente aus der Mottenkiste: Die Erhebung des Soli war nur für einen begrenzten Zeitraum vorgesehen. Seinen Zweck als Finanzierung für den Aufbau Ost habe er erfüllt. Vor allem aber wird die obligatorische Keule der steuerlichen Entlastung geschwungen. Für ihre Wettbewerbsfähigkeit bräuchten die Unternehmen finanzielle Unterstützung. Und natürlich dürfen niedrigere und mittlere Einkommen nicht zu kurzkommen. Ganz besonders für sie soll die Steuerschraube nach unten gedreht werden. Wer‘s glaubt, wird selig!
Fakt ist: Ist der Soli erstmal weg, sagt die Steuergerechtigkeit bei den Einkommen in Deutschland endgültig ade. Keine andere Steuer bittet Spitzeneinkommen stärker zur Kasse. Die einkommensärmere Hälfte der Bevölkerung zahlt ihn überhaupt nicht. Eine Familie mit zwei Kindern wird erst ab einem Jahreseinkommen von 52.000 Euro belastet. Von dem derzeitigen Plan des Bundesfinanzministeriums würden vor allem hohe Einkommen profitieren. Ein Single mit einem Bruttoentgelt von 2.000 Euro würde gerade einmal 10 Euro mehr im Monat zur Verfügung haben. Ab einem monatlichen Einkommen von 6.000 Euro winken bereits 77 Euro mehr auf dem Konto (siehe Grafik). Wer hat, dem wird gegeben.
DGB
Gleichzeitig drohen durch den Wegfall des Soli Steuerausfälle in zweistelliger Milliardenhöhe. Aber das kann sich die Bundesrepublik nicht leisten. Schon jetzt schiebt sie auf allen staatlichen Ebenen einen gewaltigen Investitionsstau vor sich her. Dabei sind für Großprojekte wie den Klimaschutz, den Ausbau der digitalen Infrastruktur, die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums oder die Verkehrswende gewaltige staatliche Ausgaben zu stemmen. In dieser Situation sind Steuersenkungen absolut kontraproduktiv. Denn die Investitionen von heute sind der Wohlstand von morgen. Eine zielgerichtete Planung für kommende Zeiten geht anders!
Summa summarum: Das weitgehende Soli-Ende ist vor allem gezielte Reichtumspflege. Die Bundesregierung hat ein Steuergeschenk an eine ohnehin schon finanzstarke Klientel auf den Weg gebracht. Das ist unsozial und setzt die seit Jahren betriebene Politik der Entlastung von Topverdiensten fort. Die Einkommensschere wird noch weiter auseinandergehen. Das wäre nicht nur für die Steuergerechtigkeit ein bitteres Ende. Heute müssen wir unser Land wieder aufbauen, nicht nur im Osten. Das Geld wird für eine moderne, klimafreundliche und soziale Zukunft dringend benötigt. Dafür ist der Soli da!
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