Deutscher Gewerkschaftsbund

02.04.2020
#schlaglicht 13/2020

Systemrelevante Berufe: Kostenloser Applaus reicht nicht!

Krankenpfleger, Verkäuferinnen, LKW-Fahrer - sie alle halten in der aktuellen Corona-Krise den Laden am Laufen. Was erhalten sie dafür? Höchste gesundheitliche Risiken und Applaus. Was verdienen Sie? Viel zu wenig! Mit "Corona-Boni" ist es nicht getan. Flächendeckende Tarifverträge mit einer höheren Bezahlung müssen her. Und das nicht erst seit Corona, meint das #schlaglicht 13/2020 aus Niedersachsen.

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Weinende Pflegerin Krankenchwester im Krankenhausflur

DGB/dolgachov/123RF.com

Als die jüngste Finanzkrise ihren Lauf nahm, musste die Bundesrepublik mit Milliarden die Verursacher retten. Schließlich sind Banken systemrelevant. Wenn es hierzulande um Steuersenkungen geht, sind meistens Entlastungen für Spitzenverdienende gemeint. Schließlich sind sie die Leistungsträger. Aber in Corona-Zeiten läuft vieles anders: Mittlerweile ist völlig klar, wer wirklich unverzichtbare Arbeit für die Gesellschaft leistet. Ohne die Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen ist die gegenwärtige Lage nicht zu meistern. Von Balkonen wird applaudiert, die Bundeskanzlerin ist voll des Lobes und im Bundestag gibt es Standing Ovations. Aber warum hat es dazu erst eine Pandemie gebraucht?

Wichtigste Berufe leisten viel und haben erhöhtes Gesundheitsrisiko

Fest steht jedenfalls: In Krankenhäusern, Pflegeheimen, Supermärkten, in der Produktion, auf der Straße und der Schiene vollbringt das Personal Höchstleistungen, um die Versorgung der Bevölkerung mit allen wichtigen Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen. Die großen Anstrengungen gehen dabei Hand in Hand mit beträchtlichen Gesundheitsrisiken. Denn Homeoffice und soziale Distanz sind für diese Berufsgruppen keine Option. Doch auch schon vor der jetzigen Krise stand es um ihre Arbeitsbedingungen nicht zum Besten. Vor allem hapert es an guten Löhnen!

Trotz Höchstleistungen unterbezahlt

Beispiel Lebensmitteleinzelhandel: Hier verdienen vollzeitbeschäftigte Fachkräfte – meist Frauen – durchschnittlich nur 2.186 Euro brutto im Monat. Das ist ein Niedriglohn und ein Drittel weniger als im Schnitt der Gesamtwirtschaft. Ebenfalls schlecht bezahlt werden Reinigungs- und Sicherheitskräfte, Trucker und Beschäftigte in der Nahrungsmittelherstellung. Selbst in der gerade hart belasteten Altenpflege liegen die Gehälter 200 Euro niedriger als der Durchschnittsmonatslohn aller Vollzeit-Fachkräfte (siehe Grafik). Beim Krankenhauspersonal sieht es zwar besser aus. Allerdings sind dort durch jahrelange Sparkurse die Personaldecken auf Kante genäht. Viele Beschäftigte gehen deshalb auf dem Zahnfleisch.

Grafik "Durchschnittliche Bruttomonatslöhne von Vollzeit-Fachkräften nach Branche"

DGB

Infolge dieser Fakten ist es mit kostenlosem Applaus nicht mehr getan. Konsequent wäre: Mehr Geld für die Beschäftigten! Hier sind die Arbeitgeber gefragt. Die groß angekündigten Sonderzahlungen einiger Handelsketten nehmen sich angesichts der Herausforderungen ziemlich bescheiden aus. Die Schieflagen bei den Einkommen der betroffen Berufsgruppen korrigieren sie nicht. Zumal der Handelsverband Deutschland (HDE) aktuell die regulären Tariferhöhungen aussetzen möchte. Geht´s noch? Umgekehrt wird ein Schuh draus: In allen entsprechenden Branchen müssen die Arbeitgeber am Verhandlungstisch Platz nehmen und mehr Tarifverträge mit einer dauerhaft höheren Bezahlung abschließen. Das wäre der angemessene Lohn für die Beschäftigten.

Systemrelevante Beschäftigte verdienen endlich anständige Bezahlung

Parallel muss die Politik endlich Farbe bekennen. Auf Bundesebene sind die Möglichkeiten für allgemeinverbindliche branchenweite Tarifverträge zu erweitern. Die Landesregierung muss wiederum dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden. Und schließlich können alle dazu beitragen, dass das augenblickliche Bewusstsein über die Corona-Ära hinaus Bestand hat. Denn die systemrelevanten Leistungsträger verdienen nicht nur Beifall, sondern deutlich mehr Geld auf dem Konto!

 

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