Deutscher Gewerkschaftsbund

21.10.2021
#schlaglicht 36/2021

#IchbinHanna: Befristungsunwesen an Hochschulen stoppen

Die niedersächsischen Hochschulen sind mit ihrer Forschung ein Motor für Innovationen. Die Arbeit der Beschäftigten findet aber häufig unter prekären Bedingungen statt. Befristungen und Teilzeitarbeit sind an der Tagesordnung. Darunter leiden die Betroffenen und auch der Standort. Wie die Situation ist und was sich ändern muss, sagt das #schlaglicht 36/2021.

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Studenten sitzen mit ihren Rechnern und Büchern in einem Lesesaal an Schreibtischen.

DGB/Simone M. Neumann

Wer ein mediales Eigentor schießen möchte, sollte sich vorher unbedingt beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erkundigen. 2018 veröffentlichte das Haus ein Video über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), in dem am Beispiel der fiktiven Biologin Hanna gerechtfertigt wurde, warum Befristungen des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen sinnvoll sind. Tenor: Das System Wissenschaft „verstopft“ nicht, womit seine Innovationskraft gefördert wird. Hört, hört.

An Hochschulen sind Befristungen ein Massenphänomen

Unfreiwillig hat das Forschungsministerium damit eine notwendige Debatte befeuert. Seit dem Clip prangern unzählige wissenschaftliche Mitarbeiter*innen (WiMis) unter dem #IchbinHanna ihre prekären Arbeitsbedingungen an. Für Niedersachsen gibt es das Resultat nun schwarz auf weiß: Laut DGB-Hochschulreport waren 2019 an den Universitäten fast neun von zehn Beschäftigten im akademischen Mittelbau befristet beschäftigt! Mit 18 Prozent lag der Anteil bei den Mitarbeiter*innen in Technik und Verwaltung (MTV) zwar deutlich niedriger. Er fiel aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft aus (siehe Grafik). Befristungen sind an Hochschulen ein Massenphänomen.

Befriste Arbeitsverträge schaden Wissenschaft und Privatleben

Die Auswirkungen dieser Praxis sind höchst problematisch. Zum einen machen sich rund zwei Drittel der Betroffenen – wenig überraschend – Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Der damit verbundene Stress ist für neue wissenschaftliche Impulse alles andere als förderlich. Zweitens leidet unter befristeten Arbeitsverträgen auch das Privatleben. Mit ihnen fällt es schwerer, eine Wohnung zu mieten, einen Hauskredit zu bekommen oder eine Familie zu gründen.

Grafik "Befristungen an Universitäten und der Gesamtwirtschaft in Niedersachsen"

DGB

Als Zugabe zu den Befristungen gesellt sich an den niedersächsischen Universitäten dann noch die extrem weit verbreitet Teilzeitarbeit hinzu. Zuletzt lag die Quote sowohl im Bereich der Wissenschaft als auch in Technik und Verwaltung bei über 40 Prozent – häufig unfreiwillig. Das mindert nicht nur Einkommen und zukünftige Rentenansprüche. Wegen der hohen Arbeitsmenge muss das Personal sehr oft unbezahlte Mehrarbeit in Kauf nehmen.

Prekäre Arbeitsbedingungen gefährden Standort

Die offenkundigen Missstände an den Hochschulen wirken sich aber nicht nur negativ auf die Beschäftigten aus. Dauerhaft schlechte Arbeitsbedingungen sorgen dafür, dass hochqualifizierte Fachkräfte, die in Niedersachsen ausgebildet wurden, dem Land den Rücken kehren und ihr Know-How woanders einsetzen (müssen). Dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort droht damit ein erheblicher Schaden.

Endlich Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen

Deshalb muss jetzt die Reißleine gezogen und insbesondere das Befristungsunwesen an den niedersächsischen Hochschulen gestoppt werden. Hanna ist überall! Es braucht einen Zukunftsvertrag Studium und Lehre, der den Namen auch verdient. Dauerstellen für Daueraufgaben waren vom Bund als Ziel vorgesehen, in der Verpflichtungserklärung von Niedersachsen findet sich davon aber kein Wort. Die Landesregierung muss sich endlich für mehr gute Arbeit mit langfristigen Perspektiven einsetzen. Dazu gehört auch eine ausreichende und verlässliche Hochschulfinanzierung.


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