Flächentarifverträge sind ein Erfolgsfaktor. Durch sie erhalten die Beschäftigten höhere Einkommen, der Wettbewerb läuft in fairen Bahnen ab und Beschäftigung wird gesichert. Allerdings betreiben viele Arbeitgeber seit Jahren Tarifflucht. Das #schlaglicht 03/2022 aus Niedersachsen fordert konkrete Maßnahmen, um die Tarifbindung wieder zu stärken.
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DGB/Kathrin Biegner
Manchmal können die Dinge sehr schnell gehen. Kurz vor Weihnachten wurde in Niedersachsen bereits am ersten Verhandlungstag ein Tarifabschluss für das Speditions- und Logistikgewerbe erzielt. In den nächsten zwei Jahren können sich rund 50.000 Beschäftigte um eine Anhebung ihrer Einkommen um mehr als 10 Prozent freuen. In der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie wiederum sorgt das tariflich vereinbarte Transformationsgeld dafür, dass auf der Gehaltsabrechnung im Februar ein Plus von 18,4 Prozent des Monatsentgelts steht. Währenddessen laufen die Vorbereitungen für die nächste Tarifrunde schon auf Hochtouren.
Einmal mehr zeigt sich: Mit Tarifverträgen stehen die Beschäftigten finanziell viel besser da! Ihre Stundenlöhne fallen in der Regel nicht nur höher aus, sondern sie erhalten auch wesentlich öfter bestimmte Sonderzahlungen. Im Durchschnitt haben niedersächsische Beschäftigte gegenüber jenen, die nicht nach Tarif bezahlt werden, jährlich ein Netto-Plus von 3.900 Euro mehr im Portemonnaie (siehe Grafik). Darüber hinaus gibt es auch noch kürzere Arbeitszeiten, mehr Urlaubstage und längere Kündigungsfristen.
Von tariflichen Regelungen profitieren aber auch die Arbeitgeber. Gute Arbeits- und Entgeltbedingungen sind wichtig für das Betriebsklima und steigern die Motivation der Beschäftigten. Vor allem Flächentarifverträge, die ganze Branchen erfassen, sorgen dafür, dass für alle Betriebe die gleichen Gehaltsstrukturen gelten. Der unternehmerische Wettbewerb wird so über Produktivität und Innnovation und nicht über Lohndumping ausgetragen. Außerdem wird während der Laufzeit von Tarifverträgen die Planungssicherheit sichergestellt.
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Weitere Argumente liefert auch eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Dort wurde die Wirkung verschiedener Tarifsysteme auf die Arbeitsmärkte untersucht. Im Ergebnis haben koordinierte Systeme – wie das deutsche Modell der Flächentarifverträge – klare Vorteile gegenüber Systemen, die nur auf dezentrale Lösungen auf der Betriebsebene setzen (USA, Großbritannien). Sie überzeugen allgemein durch eine signifikant höhere Beschäftigungsquote und sorgen gerade unter Jugendlichen, Frauen und Geringqualifizierten für eine niedrigere Arbeitslosigkeit.
Es ist deshalb umso problematischer, dass inzwischen viele Betriebe aus der Tarifbindung ausscheren und Tarifflucht begehen. Nur noch 54 Prozent der niedersächsischen Beschäftigten haben ein tarifliches Arbeitsverhältnis. Arbeitgeber, die sich so verhalten, betreiben damit aktiv Schmutzkonkurrenz, fördern Lohnungleichheit und laufen in eine arbeitsmarktpolitische Sackgasse. Von einem fairen Spiel kann keine Rede sein!
Dieser Trend muss umgekehrt und Tarifverträgen wieder mehr Geltung verschafft werden. Hierbei sind zuerst die Arbeitgeber am Zug. Politisch hat in Niedersachsen Wirtschaftsminister Althusmann endlich dafür zu sorgen, dass öffentliche Aufträge nur noch tarifgebundene Unternehmen gehen. Im Bund bedarf es einer Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung sowie der Abschaffung von OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden. Nur Tarif ist Trumpf.