Deutscher Gewerkschaftsbund

17.02.2022
#schlaglicht 06/2022

Azubimangel? Ausbildungsplatzmangel!

Obwohl die Quote der ausbildenden Betriebe in Niedersachsen stetig sinkt und es immer weniger Ausbildungsverträge gibt, klagen die Arbeitgeber über einen Mangel an Fachkräften. Das passt nicht zusammen. Um mehr Fachkräfte zu gewinnen und Jugendlichen Chancen zu bieten, fordert das #schlaglicht 06/2022 eine Ausbildungsplatzgarantie.

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Schraubenschlüssel, Stift und Computermaus

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Mal wieder grüßt das Murmeltier. Inzwischen klagen die Arbeitgeber fast täglich über den Fachkräftemangel. Dabei haben die Betriebe zuletzt wieder mehr ausgebildet als im Krisenjahr 2020. Und sie würden angeblich gerne noch viel mehr tun: Vor kurzem berichtete die Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) davon, dass jeder fünfte Ausbildungsplatz wegen fehlender Bewerber*innen leer geblieben ist. Die Ursache wird also eine Etage tiefer gesucht.

Quote der Ausbildungsbetriebe seit Jahren rückläufig

Aber das Bild, das von den Arbeitgebern und ihren Sprachrohren gezeichnet wird, hält einem Abgleich mit den Fakten kaum stand. Seit Jahren geht die Quote der niedersächsischen Betriebe, die selbst ausbilden, kontinuierlich zurück. Rund 80 Prozent haben sich gänzlich vom Ausbildungsmarkt verabschiedet, klagen aber lauthals über zu wenig Fachkräfte. Nur etwas mehr als ein Fünftel der Betriebe bietet noch Ausbildungsplätze an und übernimmt Verantwortung für die Nachwuchsarbeit – auch für diejenigen, die nicht ausbilden.

Neues Allzeittief bei abgeschlossenen Ausbildungsverträgen

Der Rückgang an Ausbildungsbetrieben spiegelt sich auch in der Entwicklung neu abgeschlossener Ausbildungsverträge wider. Von 2011 bis 2021 ist deren Zahl in Niedersachsen um 20 Prozent nach unten gegangen (siehe Grafik). Corona hat diesen Negativtrend nur weiter verstärkt. Als direkte Folge blieben im letzten Jahr 7.800 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz erfolglos! Dazu stecken nochmal rund 40.000 Menschen im sogenannten Übergangssystem mit fragwürdigen Aussichten fest.

Grafik "Entwicklung neu abgeschlossener Ausbildungsverträge in Niedersachsen"

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Keine Frage: In vielen Berufsgruppen werden in Niedersachsen mehr Fachkräfte benötigt. Doch mit lauten Klagen gewinnt man nicht eine zusätzliche Arbeitskraft – mit mehr Ausbilden schon. Deshalb müssen die Betriebe sich und den Jugendlichen unbedingt eine Chance geben. Insofern wird es der angespannten Situation in keiner Weise gerecht, wenn zurzeit sowohl die Industrie- und Handelskammern als auch die Handwerkskammern den Eindruck erwecken, dass es nur an der gezielten Ansprache an potenzielle Bewerber*innen mangelt. Das ist Augenwischerei! Gibt es nicht ausreichend Ausbildungsplätze und Ausbildungsbetriebe, helfen Marketingkampagnen und Messen allein nicht weiter.

Zukunft der Jugendlichen mit Ausbildungsplatzgarantie sichern

Um das Ruder herumzureißen, sind strukturelle Veränderungen notwendig. Gebraucht wird eine umlagefinanzierte Ausbildungsplatzgarantie, die jedem Jugendlichen einen Berufsabschluss und eine Lebensperspektive eröffnet. Bisher wird das Ausbildungsplatzangebot nur von einer Minderheit gesichert, während sich die Trittbrettfahrer einen schlanken Fuß machen. Die Landesregierung und die Kammern müssen dafür sorgen, dass sich alle Betriebe solidarisch über einen Zukunftsfonds an der Finanzierung beteiligen. Immerhin profitiert auch jeder von qualifizierten Fachkräften!

Landesweites Azubi-Ticket längst überfällig

Darüber hinaus empfehlen sich in Niedersachsen weitere Maßnahmen. An allen Schulformen sollte eine strukturierte Berufsorientierung entwickelt werden. Ebenso bedarf es eines verstärkten Ausbaus der Jugendberufsagenturen. Um Auszubildende finanziell zu entlasten, muss ein landesweites Azubi-Ticket nun Gestalt annehmen. Denn Jugend verdient Zukunft!


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