Während an den Schulen in Niedersachsen die Abschlussprüfungen laufen, klagen die Arbeitgeber mal wieder über Fachkräftemangel. Dieser ist aber hausgemacht. Die Quote der Ausbildungsbetriebe geht stetig zurück. Das #schlaglicht 18/2022 plädiert für eine Ausbildungsplatzgarantie, um mehr Fachkräfte auszubilden und der Jugend Perspektiven zu bieten.
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Das Ziel ist in unmittelbarer Sichtweite. Seit letzter Woche legen 55.000 niedersächsische Schüler*innen der Sekundarstufe I die schriftlichen Abschlussprüfungen ab. Wenn bis Mitte Juni auch die mündlichen Leistungsnachweise gelaufen sind, werden die meisten hinter ihre Schulzeit einen Haken machen können und den Blick auf den Berufsstart richten. Wahrscheinlich stehen dabei jene dem jetzigen Prüfungsstress etwas entspannter gegenüber, die bereits einen unterschriebenen Vertrag für einen Ausbildungsplatz in der Tasche haben. Leider dürfte dies längst nicht überall der Fall sein!
Eine qualifizierte Berufsausbildung ist die Basis für ein erfolgreiches Erwerbsleben. Durch sie erhalten junge Menschen das theoretische und praktische Know-how, um als Fachkräfte von morgen für die Zukunft gerüstet zu sein. Auch deshalb ist der Zuspruch groß – vor allem in Niedersachsen: Nach einer aktuellen Befragung hat fast die Hälfte aller 14- bis 20-jährigen Schüler*innen Interesse daran, später einen Ausbildungsberuf zu ergreifen. In keinem anderen Flächenland liegt der Anteil höher (siehe Grafik). Ein wichtiger Vertrauensbeweis in das System der dualen Ausbildung.
Aber obwohl die Nachfrage vorhanden ist und sich die Betriebe fast schon im Stundentakt über den Fachkräftemangel auslassen, wird der Ausbildungsmarkt von strukturellen Problemen geplagt. Das Angebot reicht nicht aus für alle Interessierten. Der gerade veröffentlichte Berufsbildungsbericht (hier) konnte diesbezüglich keine Entwarnung geben. Auf hundert (potenzielle) Auszubildende entfielen 2021 in Niedersachsen nur fünfundneunzig Ausbildungsplätze. Insgesamt gingen 7.800 Jugendliche bei der Suche leer aus.
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Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind dafür nur eine Teilerklärung. Der eigentliche Kern des Problems ist die seit Jahren stetig abnehmende Bereitschaft der Betriebe, sich ausreichend um Nachwuchs zu kümmern. Von 2009 bis 2020 hat die Quote der niedersächsischen Ausbildungsbetriebe einen Sinkflug von 26,4 Prozent auf 22,3 Prozent hingelegt. Mit dieser Leistung ist die Versetzung gefährdet! Wenn nur noch knapp über ein Fünftel der Betriebe Verantwortung übernimmt, ist es nicht verwunderlich, dass Fachkräfte fehlen und es jungen Menschen an beruflichen Perspektiven mangelt.
Gerade deshalb ist es mit bloßen Appellen nicht mehr getan. Mit einer umlagefinanzierten Ausbildungsplatzgarantie muss ein nachhaltig höheres Ausbildungsplatzangebot geschaffen werden. Im Rahmen eines Zukunftsfonds ist sicherzustellen, dass sich alle Betriebe solidarisch an der Finanzierung der Kosten beteiligen. Die Landesregierung und die Kammern müssen dafür die Voraussetzungen schaffen.
Im Übrigen handelt es sich hierbei um keine exklusive Gewerkschaftsforderung. Die Bertelsmann Stiftung – bisher nicht unbedingt als Stimme der Beschäftigten verschrien – plädiert angesichts der angespannten Lage ebenfalls für eine, allerdings etwas anders konzipierte, Ausbildungsplatzgarantie (hier). Für zusätzliche Fachkräfte sollte dieser Weg jetzt beschritten werden. Zumal die Schüler*innen bei der Ausbildungsplatzsuche auch keine Lust mehr auf Nachsitzen haben.